Für einen Perspektivwechsel in der Medienbildung
Sichtet man als Pädagoge Materialien zur Medienbildung, fällt auf, dass sie vielfach Selbstzweck sind: viele versuchen, „Nutzer:innen“ die Wirkweise von Medien nahezulegen. Medien und Medienformate werden kategorisiert und voneinander abgegrenzt. Die Rolle der Medien in einer demokratischen Gesellschaft wird vorgestellt und erklärt.
Das Medienverhalten der Nutzer:innen, ihr Zugang zu Medien ist selten Thema. Und wenn, dann wird das (erwünschte) Nutzungsverhalten bei jungen Menschen erörtert. Das sind wichtige Aspekte in der Auseinandersetzung mit Medien.
Gleichzeitig sollte eine moderne Medienbildung aber nicht die Augen verschließen vor dem veränderten Mediennutzungsverhalten der jungen Generation. Instagram und Tik Tok mögen bislang nur teilweise als Inspirationsquelle zur Förderung kritischen Denkens, der Aufklärung oder politischer Partizipation taugen. Zu häufig gehorchen die Plattformen schlicht marktwirtschaftlichen Logiken. Aber sie bestimmen weasentlich den Alltag Jugendlicher und schaffen neue Anknüpfungspunkte zu einer modernen (Medien-)Lehre.
Im Basiscurriculum Medienbildung Berlin-Brandenburg steht zur Bedeutung der Medienbildung:
„Medienbildung knüpft ausdrücklich an die Alltagserfahrungen der Schülerinnen und Schüler an. Medienbildung eröffnet zahlreiche Gelegenheiten vielfältiger individueller und kollektiver Kompetenzentwicklung. Sie ist unverzichtbarer Bestandteil der Berufsorientierung, essenzielle Voraussetzung für Ausbildungs- und Studierfähigkeit und Grundlage lebenslangen Lernens in einer demokratischen Gesellschaft.“[1]
Wer sich die Mühe macht, Jugendliche nach ihren Alltagserfahrungen mit Medien zu fragen, wird schnell auf diesen Widerspruch aufmerksam: Einerseits verfügen Jugendliche geradezu über ein Übermaß medialer Alltagserfahrungen. Diese Erfahrungen sind für die Schule und oft auch den weiteren Bildungsweg allerdings selten relevant, weil das Nutzungsverhalten und mediale Inhalte nicht dem Nutzungsverhalten und den Vorstellungen über Inhalte der älteren Generation – also auch der Verfasser:innen des Curriculums – entspricht.
Mediennutzung zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Die Diskrepanz, die in Familien leicht überbrückt werden kann, in denen viel geredet und kritisch hinterfragt wird, gerät für Jugendliche aus belasteten Familien und Stadtteilen zu einer unüberbrückbaren Hürde. Für einen „klassischen“ Medienbildungsansatz fehlt den Jugendlichen die eigene Anschauung, weil sie und häufig auch die Eltern keine Tageszeitungen lesen. Inhalte oder gar deren Wirkweisen sind eben gerade außerhalb ihrer Alltagserfahrung.
Medienbildung in der Schulentwicklung
Im Sprachunterricht geht man seit längerer Zeit davon aus, dass ein integrativer Grammatikunterricht größere Erfolge verzeichnet, als die losgelöste Betrachtung grammatikalischer Phänomene ohne eine weitergehende inhaltliche Auseinandersetzung mit Texten. Wir sind der Meinung, dass solche integrativen Konzepte auch in der Medienbildung erfolgversprechend und zwingend notwendig sind. Gerade weil sich Medienbildung nicht auf das einstündige Neben- oder sogar Wahlpflichtfach „Medien/Informatik“ beschränken sollte. Auch das Basiscurriculum Medienbildung in Berlin-Brandenburg ist – wie in anderen Bundesländern auch – nicht zufällig im Bereich Fächerübergreifende Kompetenzentwicklung angelegt. In der schulischen Unterrichtspraxis kommt ein ganzheitlicher Ansatz aus strukturellen Gründen leider noch viel zu selten vor.
Unsere Vision von einer integrativen Medienbildung
In unserer Vision von einer integrierten Medienbildung entwickeln Lehrer:innen im Team handlungsorientierte und thematisch aktuelle Unterrichtssequenzen, die von den Interessen und der Lebenswelt der Schüler:innen ausgehen und zum Erreichen der jeweiligen fachspezifischen Kompetenzstandards ebenso beitragen, wie zum Erreichen der fächerübergreifenden Kompetenzen der Medien- und Sprachbildung. Schüler:innen erleben dabei das Reflektieren über sämtliche Medien als alltägliches Werkzeug von einem Unterricht, der sie Schritt für Schritt an größere Aufgaben (z.B. Präsentationen) heranführt. Um eine Vorstellung davon zu vermitteln, wie wir uns solche Unterrichtssequenzen vorstellen, wollen wir in der Praxis erprobte Bausteine zugänglich machen.
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